In der globalen Wirtschaft vollzieht sich ein tiefgreifender Strukturwandel: Unternehmen investieren zunehmend in immaterielle Werte wie Software, Forschung, Entwicklung, Daten und Marken, während klassische Investitionen in Produktionsanlagen, Maschinen und Gebäude an relativer Bedeutung verlieren. Wie aus einer aktuellen Analyse der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) hervorgeht, wachsen die Investitionen in immaterielle Vermögenswerte deutlich schneller als in physisches Anlagevermögen – und das schon seit mehr als anderthalb Jahrzehnten.
Zwischen 2008 und 2024 sind die Ausgaben für immaterielle Güter in den 27 untersuchten Industrie- und Schwellenländern im Durchschnitt mehr als dreieinhalbmal so schnell gestiegen wie die Investitionen in traditionelle materielle Produktionsmittel. Für das Jahr 2024 beziffert die WIPO das globale Investitionsvolumen in immaterielle Wirtschaftsgüter auf rund 7,6 Billionen US-Dollar – ein Wert, der die strategische Relevanz von Wissen, Technologie und geistigem Eigentum im 21. Jahrhundert unterstreicht.
USA setzen Maßstäbe bei Wissenskapital
Mit großem Abstand führen die Vereinigten Staaten das internationale Ranking an. Laut WIPO entfallen rund 4,5 Billionen US-Dollar – also knapp 60 % der weltweiten immateriellen Investitionen – allein auf die USA. Die Vereinigten Staaten profitieren dabei von einem innovationsgetriebenen Wirtschaftssystem, starken Universitäten, Technologiekonzernen mit globaler Strahlkraft und einem funktionierenden Patentsystem. Insbesondere in Sektoren wie Künstliche Intelligenz, Biotechnologie, Cloud Computing und Halbleitertechnik bauen US-Unternehmen ihren immateriellen Vorsprung kontinuierlich aus.
Frankreich zieht an Deutschland vorbei
Deutschland belegte 2024 mit geschätzten 602 Milliarden US-Dollar an Investitionen in immaterielle Güter den dritten Platz – nach den USA und Frankreich, das sich neu auf Rang zwei vorgeschoben hat. Noch im Vorjahr rangierte die Bundesrepublik hinter den Vereinigten Staaten auf Platz zwei. Die Analyse zeigt: Obwohl deutsche Unternehmen in Forschung und Entwicklung weiterhin überdurchschnittlich investieren, verlieren sie im internationalen Vergleich an Boden – auch aufgrund struktureller Herausforderungen im Industriesektor.
Besorgniserregend: Deutschland ist laut WIPO das einzige Land unter den 27 erfassten Volkswirtschaften, in dem die Investitionen in materielle Wirtschaftsgüter wie Maschinen, Fabriken und Gebäude rückläufig sind. Dies lässt sich als Ausdruck der derzeitigen Wachstumsschwäche und Standortunsicherheit deuten, die vor allem die klassische Industrieproduktion betrifft. Die Konkurrenzfähigkeit des Landes steht damit zunehmend auf dem Prüfstand – gerade in Zeiten, in denen technologische Souveränität und Innovationsfähigkeit entscheidende Wettbewerbsfaktoren sind.
China bleibt statistisches Vakuum
Die WIPO-Analyse basiert auf Zahlen aus Industrieländern wie Japan, Großbritannien und Deutschland sowie großen Schwellenländern wie Indien und Brasilien. China, das mit den USA um die Vorherrschaft in Schlüsseltechnologien wie Digitalisierung, Robotik und Quantentechnologie ringt, ist in der Analyse nicht enthalten – ein Umstand, der die Vergleichbarkeit einschränkt, zugleich aber unterstreicht, wie schwer zugänglich und intransparent chinesische Wirtschaftsdaten im Bereich der immateriellen Vermögenswerte nach wie vor sind.
Neue Vermögenslogik: Wissen statt Werkhallen
Die zunehmende Bedeutung immaterieller Investitionen markiert eine tektonische Verschiebung innerhalb moderner Volkswirtschaften. Längst gilt nicht mehr die Größe des Maschinenparks als Gradmesser für Wettbewerbsfähigkeit, sondern die Fähigkeit, Wissen effizient in marktfähige Innovationen umzuwandeln. In diesem Kontext werden Bildung, geistiges Eigentum, Softwarearchitekturen und digitale Plattformen zu zentralen Wachstumsfaktoren.
Die 1967 gegründete Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Ihr Ziel ist es, den Schutz geistigen Eigentums weltweit zu fördern und Innovation sowie Kreativität als globale Triebfedern wirtschaftlicher Entwicklung zu stärken.